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Studenten-Abzocke: Kein Geld und Freunde weg

Vorsicht vor dubiosen Angeboten! Immer wieder werden Studenten in der Fußgängerzone angequatscht, ob sie einen Nebenjob suchen und in die Versicherungsbranche einsteigen wollen. Das geht selten gut.

Auch TU-Student Markus* merkte das bald. Er wurde im Sommer von einem Freund angesprochen, ob er Interesse an einem lukrativen Nebenjob habe. Schnell folgte ein Treffen mit einem Vertreter der ERGO Pro-Versicherungsgesellschaft in einem Dresdner Café am Altmarkt. Markus erinnert sich: „Der Vertreter sagte, dass alle, die dabei nicht mit 5000 Euro nach Hause gehen, blöd sind. Versicherungen zu verkaufen sei einfach.“ Der Student sollte gezielt im Freundes- und Bekanntenkreis Namen sammeln, die für den Vertragsabschluss einer Lebens- oder Berufsunfähigkeitsversicherung infrage kämen. „Der Vertreter erwähnte explizit, dass es um Langzeitversicherungen gehe“, sagt Markus. Für jede Unterschrift stellte die Versicherungsgesellschaft eine satte Provision in Aussicht. Der Knackpunkt dabei: An jedem Vertrag, den Markus abschließt, verdient der Versicherungsvertreter mit. Das Prinzip hinter dem sogenannten Strukturvertreib ist nichts anderes als ein sogenanntes Pyramiden- oder auch Schneeballsystem. Wer an der Spitze ist, macht Kasse, je weiter unten man als Einzelperson in diesem System steht, umso weniger Geld bleibt übrig. Markus bringt es auf den Punkt: „Ich habe schnell gemerkt, dass das Ganze eine Verarsche ist.“

 

Das Versprechen für viele Vertragsabschlüsse: Goldene Uhren und fette Autos

Ähnliche Erfahrungen machte auch Markus‘ Kumpel Andreas*: „Ich habe mich in den letzten Wochen sechs Mal mit dem Vertreter des Versicherungsunternehmens getroffen. Am Anfang hat er versucht, mich für das Team zu begeistern. Er sprach davon, ein geiles Team aufstellen zu wollen. Im zweiten Schritt sollte ich für die Versicherung, für die er arbeitet, begeistert werden. Vor allem die große Flexibilität bei den Arbeitszeiten und die Möglichkeit, sofort viel Geld verdienen zu können, sind die Hauptargumente. Bei den letzten Treffen ging es dann um die Möglichkeit, gleich ein Team aufzubauen, in dem ich sozusagen die Verantwortung hätte. Zu Beginn klang dies alles schon sehr attraktiv.“ Doch Andreas wird stutzig, als der Vertreter erwähnt, dass der Job kein reiner Verkaufsjob sei und man potenzielle Kunden auch beraten soll. Seiner Ansicht nach lässt sich das mit dem schnellen Geldverdienen nicht vereinbaren, da man dafür ja die Vertragsabschlüsse braucht.

Das sehen auch Stephan Busch und Tom Wonneberger vom Dresdner Unternehmen „Progress Finanzplaner“ (www.progress-dresden.de und im Blog) so. Die beiden Brancheninsider betreiben unabhängige Finanzaufklärung. „Derartige Strukturvertriebe haben wenig Interesse daran, langfristige Berater auszubilden. Weiterbildungen finden meist nur im Bereich Versicherungsverkauf statt. Ihnen geht es in erster Linie darum, junge Kontakte zu nutzen. Sie versprechen dir eine goldene Uhr, fette Autos und tolle Hotels, nur damit du dein Gegenüber schnellstmöglich zur Unterschrift unter einen Versicherungsvertrag animierst. Aus unserer Sicht ist dieser reine Vertrieb grob fahrlässig und nichts als Verkaufspsychologie.“ Von wegen schnelles Geld: „Die meisten haben nichts davon“, verrät er weiter.

 

Strenge Maßstäbe, flexible Handhabung

CAZ hat dazu Jens Buchkremer, Pressesprecher der ERGO Versicherungsgruppe AG, gefragt, wie gewährleistet wird, dass Studenten, die in der Regel noch nie in der Versicherungsbranche gearbeitet haben, vorbereitet werden und Kunden fachlich kompetent beraten können. „Für einen nebenberuflichen Start mit einem begrenzten Produktportfolio ist eine Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau Versicherungen/Finanzen keine zwingende Voraussetzung. Eine interne, fachliche Zertifizierungsausbildung ist jedoch in jedem Fall erforderlich für einen Start bei ERGO Pro“, so Buchkremer. Er betont aber auch: „Wir legen strenge Maßstäbe bei der Auswahl unserer Partner an, sind gleichzeitig jedoch sehr flexibel: Ob Bäcker, Betriebswirt oder Student: Wer motiviert ist und Unternehmergeist mitbringt, dem geben wir eine Chance. Aber nur, wenn er oder sie unsere Zuverlässigkeitsprüfung besteht.“ Und weiter: „Wir kontrollieren regelmäßig die Qualität unserer Ausbildung, der Schulungen und der Beratungen.“ Andreas wundert sich: Es sei zwar immer die Rede von einer Schulung in Leipzig gewesen, bei der die Studenten auf ihre eigentliche Arbeit vorbereitet werden sollten, ob sich daran aber noch eine Prüfung anschließe, wisse er nicht und habe davon auch noch nie etwas gehört.

 

Am Ende keine Freunde mehr

Gerade junge Leute sind als Mitarbeiter begehrt. Das liege daran, so Stephan Busch, dass die gesamte Branche überaltert sei. Das Durchschnittsalter liege bei circa 50 Jahren, es fehle an Beraternachwuchs. Doch gerade der fällt bei diesem System meist auf die Nase. „Wenn du deinen Freundes- und Familienkreis abgeklappert und alle Kontakte vermittelt hast, zeigt sich, dass das nicht nachhaltig ist“, berichtet Stephan, der den Strukturvertrieb aus eigener Erfahrung kennt. Auch Andreas wird dazu gedrängt, Namen von Personen zu nennen, mit denen er sich vorstellen könne zu arbeiten. Das Fatale dabei: „Die jungen Leute werden kaputt gemacht. Sie stoßen ihren Freundeskreis vor den Kopf und merken es meist nicht einmal. Nach zwei, drei Jahren stehen sie dann ohne soziale Kontakte da. Was bleibt, ist eine schmerzhafte Erfahrung und die Erkenntnis, dass man nirgends auf ehrliche Art und Weise sofort viel Geld verdienen kann“, fasst Stephan Busch die möglichen Konsequenzen zusammen.

Um sich das zu ersparen, haben Markus und Andreas den Kontakt zum Versicherungsvertreter, der sie anwerben wollte, abgebrochen. „Ich habe nichts unterschrieben und das auch nicht vor“, ist sich Andreas sicher. Am Ende bleibt nur eins: Augen auf bei der Jobwahl! Fadenscheinige Angebote sind selten seriös. Wer sich Ärger ersparen will, lässt Typen, die einem in der Fußgängerzone das schnelle Geld versprechen, lieber einfach abblitzen.

*Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

 

 

Text: Ute Nitzsche

Foto: Fotolia/Elnur

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